Wissenswertes

Allgemeine Infos über psychische Erkrankungen

Leider kursieren noch eine Menge Fehlinformationen über psychische Erkrankungen. Das Thema ist immer noch ein gesellschaftliches Tabu, obwohl sich in den letzten Jahren viele Menschen für mehr Offenheit und Bewusstsein einsetzen. Prominente Persönlichkeiten wie Lady Gaga, Ariana Grande, Britney Spears, Selena Gomez, Adèle, Leonardo DiCaprio, Thorsten Sträter, Elton John sowie die Prinzen William und Harry sprechen über ihre eigenen psychischen Erkrankungen, um anderen Menschen Mut zu machen und zu zeigen, wie verbreitet dieses Phänomen ist.

Ein paar der häufigsten Missverständnisse möchte ich hier aufgreifen:

Wenn mein Kind psychisch krank ist, stimmt mit ihm/ihr dann etwas ganz grundlegend nicht!

Viele Kinder und Eltern haben Angst, wenn man ihnen sagt, dass das Kind eine psychische Erkrankung hat, dass sie jetzt ein „Psycho“ sind, dass mit ihnen ganz grundlegend etwas nicht stimmt. Spielfilme über psychische Erkrankungen und Psychiatrien sowie Amokläufe sorgen dafür, dass psychische Erkrankungen mit Eigenschaften wie allgemeingefährlich oder nicht zurechnungsfähig gleichgesetzt werden. Fakt ist, dass man Menschen, die mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, fast jeden Tag begegnet und einem dies häufig nicht mal auffällt. Folgt man der aktuellen Studienlage, ist fast jede/r Fünfte der unter 18-Jährigen psychisch krank. Man schätzt, dass über 50% der Menschen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal psychisch erkranken. Damit sind psychische Erkrankungen etwas ganz Normales und häufiger als andere Krankheiten wie z.B. Diabetes.

Was ist eigentlich: Ein Psychopath:

Psychopathie bezeichnet das weitgehende oder völlige Fehlen von Mitgefühl, sozialer Verantwortung und Gewissen. Dabei kann Psychopathie unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Ein bisschen „psychopathisch“ können alle Menschen werden, wenn sie unter starkem Stress stehen. Menschen, bei denen die Eigenschaft jedoch stark, durchgehend und situationsunabhängig ausgeprägt ist, werden als Psychopathen bezeichnet. Psychopathen sind auf den ersten Blick mitunter charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen, und können sehr manipulativ sein, um ihre Ziele zu erreichen. Sie haben Besonderheiten in der Hirnstruktur, was ihnen das Verstehen von sozialen Normen und die Entwicklung eines Schuldbewusstseins erschwert. Dennoch sind nicht alle Psychopathen allgemeingefährlich. Viele Psychopathen sind ausreichend angepasst und kommen im Leben sehr gut zurecht. Sie haben für sich Strategien entwickelt um mit ihren Defiziten umzugehen und zeigen sich dann im Leben sehr geschickt und durchsetzungsstark. Deshalb findet man Psychopathen nicht nur überdurchschnittlich häufig in Gefängnissen, sondern auch häufig in Führungspositionen.

Mein Kind ist psychisch krank, weil ich als Elternteil etwas falsch gemacht habe!

Wenn Kinder auf die Welt kommen, stehen Eltern unter häufig Leistungsdruck und fühlen sich für alles, was schief geht, verantwortlich. Wenn ein Kind an einer psychischen Erkrankung leidet, bedeutet das aber nicht automatisch, dass die Eltern etwas falsch gemacht haben. Eltern dürfen Fehler machen und konstruktive Lösungen von Missverständnissen können sogar zur psychischen Gesundheit von Kindern beitragen. Psychische Erkrankungen entstehen zumeist wenn mehrere Faktoren unglücklich zusammentreffen.

  • Manche Kinder sind von Grundtemperament eher sensibel. Sie reagieren leichter mit einer psychischen Erkrankung als Kinder, die eher eine robuste und grundentspannte Natur haben.
  • Auch die Gesellschaft kann zur Entstehung einer psychischen Erkrankung beitragen. So lernen unsere Kinder z.B., dass gutes Aussehen gleichbedeutend ist mit beliebt, intelligent und erfolgreich sein. Dieser Fehler ist auch als Attraktivitätsfehler bzw. Halo-Effekt bekannt. Unsere Kinder leben dann häufig in diesem naiven Glauben, dass sich (fast) alle Probleme lösen, wenn aus dem hässlichen Entlein ein schöner Schwan geworden ist. Dass Körper von Natur aus zu unterschiedlichen Proportionen neigen, Geschmäcker unterschiedlich sind und man sich z.B. Intelligenz, Mitgefühl oder Großzügigkeit nicht hinschminken, -trainieren oder erhungern kann, wird dabei außer Acht gelassen. Auch andere (veraltete) Vorstellungen, z.B. dass Jungs unabhängig von ihrer persönlichen Veranlagung stark und Mädchen sanft, verständnisvoll und fürsorglich sein sollen, sind leider immer noch nicht aus der Welt geschafft und tragen zu psychischen Erkrankungen bei.
  • Einschneidende Ereignisse z.B. Mobbing, Ausgrenzung, Trennungs- Verlust- oder Gewalterfahrungen, aber auch besondere Ereignisse, wie Lockdowns, wirken sich auf die Psyche aus.
  • Es gibt auch Verhaltensweisen von Eltern, die eine psychische Erkrankung begünstigen können z.B. Vernachlässigung, Überbehütung, (körperliche, seelische oder sexuelle) Gewalt oder auch starke Streitigkeiten zwischen den Eltern.

Psychische Erkrankungen sind genetisch, da bringt Therapie nichts.

Wenn in ihrer Familie in ihrer oder den älteren Generationen psychische Erkrankungen vorkommen, kann es sein, dass ihr Kind leichter an einer psychischen Erkrankung erkrankt, als andere Kinder. Man nennt dies in der Medizin Vulnerabilität. Eine entsprechende genetische Anlage alleine reicht jedoch noch nicht. Psychische Erkrankungen entstehen häufig in sehr belastenden Lebenssituationen und werden durch ungünstige Verhaltensweisen und Überzeugungen aufrechterhalten. In der Psychotherapie lernen die Kinder, Jugendlichen und Eltern, wie sie aufrechterhaltende Verhaltensweisen und Überzeugungen hinterfragen und ändern können und was sie tun können, um bei einer erneuten Belastung nicht erneut zu erkranken.

Die Psychotherapie wird helfen, dass die Erziehung meines Kindes nicht mehr so schwierig ist!

Keiner mag erziehen. Weder die Kinder, die erzogen werden, noch die Eltern, die erziehen müssen. Es ist folglich nachzuvollziehen, wenn sich Eltern wünschen, dass die Erziehung etwas einfacher wird. Und obwohl gerade in den Elterngesprächen wir immer wieder auch über Erziehung reden werden, misst sich der Erfolg von Therapie nicht unbedingt daran, wie selbstständig ihr Kind Ordnung im Kinderzimmer hält oder wie regelmäßig es lernt. Unordentliche Zimmer, nicht erledigte Hausaufgaben und mehr Interesse an Freunden als an der Schule sind meistens vollkommen normal, auch wenn das ewige Wiederholen von „mach bitte“ uns Erwachsenen den letzten Nerv raubt. Psychotherapie hilft,

  • wenn ihr Kind nicht aufräumt, weil es nur noch im Bett liegt oder nur noch vor dem Computer sitzt
  • wenn es an nichts und niemanden mehr Interesse hat
  • wenn ihr Kind zu weinen, schreien oder schlagen anfängt, wenn es Hausaufgaben machen muss oder in die Schule gehen muss.
  • wenn es Angst vor Gleichaltrigen hat und deshalb sich in der Schule nicht zu melden traut und nachmittags nicht mehr aus dem Haus geht.
  • wenn ihr Kind zu angepasst ist.
  • wenn das Kind Panik bekommt, wenn mal etwas unordentlich ist, sich zu häufig die Hände wäscht oder ständig kontrollieren muss, ob er oder sie das Licht ausgemacht oder die Tür verschlossen hat.
  • wenn ihr Kind einen Nervenzusammenbruch bekommt, wenn es keine sehr gute Note hat.
  • wenn ihr Kind wenig isst oder nach dem Essen erbricht um nicht zuzunehmen

Wenn Sie ein Kind unter 12 haben, kann Therapie bedeuten, dass sie noch mehr erziehen müssen oder manchmal auch mit anderen Mitteln. Je älter ihr Kind ist, desto mehr wird es selbst für seine psychische Gesundheit verantwortlich. Hier kann es passieren, dass sie als Elternteil auch lernen müssen, sich weniger einzumischen und ihrem Kind beim „eigene Erfahrungen machen“ – und damit möglicherweise auch beim Scheitern – zuzusehen.

Beides, sowohl ein mehr Erziehen wie auch ein weniger Erziehen, kann für Eltern eine große Herausforderung sein. Vor allem, wenn die Situation zuhause schon sehr verhärtet ist oder die Persönlichkeiten von Eltern und Kind stark unterschiedlich sind, kann das Einbinden einer ambulanten Erziehungshilfe oder Sozialpädagogischen Familienhilfe die Therapie gut unterstützen und bis sich die Situation stabilisiert hat, das Familiensystem entlasten.

Therapie bedeutet einmal die Woche zum Therapeuten zu gehen!

Da Verhaltenstherapie darauf abzieht, das Verhalten des Kindes oder Jugendlichen zu ändern, endet die Therapie nicht mit dem Ende der Therapiestunden, sondern beginnt mit der Therapiestunde erst. Therapie ist am effektivsten, wenn die Kinder, Jugendlichen und Eltern das, was sie in der Therapie lernen, im Alltag üben und umsetzen und mit diesen gemachten Erfahrungen in der nächsten Therapiestunde weiterarbeiten können.